10. Reisebericht aus Lhasa, 16. August 2006Tashi Delek!
(Tibetische.Grussform)
Vielen Dank fuer die vielen E-Mails und SMS aus fast allen Teilen der
Welt!
Das Handy zeigt seit Golmud oft den Vermerk ?Kein Dienst?, oder nur
Notruf, den ich mal aus ?Gwunder? gewaehlt habe und es meldete sich sofort
eine chinesische Frauenstimme, die ich dann gleich wieder unterbrochen
habe. Die Chinesen machen mir ab und zu ein Strich durchs Handy. Verlass
auf Mobile Kontakt ist mit Vorsicht zu handhaben.
Golmud
Gestern, 24.7. 06, als ich im Wagen mein Tagebuch tippte, schauten alle
paar Minuten chinesische Touristen in den Wagen rein. Sie sind
interessiert und neugierig was so in einem Auto alles drin steckt,
zueckten die Digitalkameras um das Ganze bildlich festzuhalten.
Soviel wie in China bin ich noch nie fotografiert worden. Sie stellten
die ueblichen Fragen, woher kommen sie, wie gefaellt ihnen China, fahren
sie nach Lhasa ect?? Es gibt nur vereinzelte die gleich in den Wagen zu
steigen versuchen. Sehr erstaunt reagierte ich als ploetzlich zwei
tibetische Moenche im Wagen stand und gleich nach Geld fragten.
Guenther machte den Service am Pinz und sah dem entsprechend aus als er
von zwei Chinesen angesprochen wurde. Es war offensichtlich, die beiden
Herren in weissen Hemden und Hosen mit tadellosen Buegelfalten stammen aus
der gehobenaeren Gesellschaft. Einer der Herren spricht sehr gut Englisch,
er stellte uns seinen Kollegen als Mayor von Golmud vor und falls wir
Probleme haetten, duerften wir uns gerne an ihn wenden. Er fragte uns aus
welcher Gegend der Schweiz wir kommen ect. Er selbst war schon einige Male
in der schoenen Schweiz und im Besonderen in Davos am WEF. Er ist bestimmt
ein Minister fuer Wirtschaft und oder Finanzen. Er sei geschaeftlich und
als Tourist in Golmud, erzaehlte er uns und er werde am kommenden Tag mit
der Eisenbahn nach Lhasa fahren. Die beiden Herren wuenschen uns eine
interessante Reise durch China und verabschieden sich hoeflich.
Wir konnten in Erfahrung bringen, dass es nicht einfach ist ein
Zugticket zu ergattern. Die Zuege sind gut ausgebucht und die Nachfrage
auf dieser neuen einmaligen Strecke von Golmud nach Lhasa zu fahren ist
der Hit. CITS, die staatliche Touristenorganisation macht die
Reservationen und Buchungen.
Auslaendische Touristen zahlen auch hier das Mehrfache fuer die
Einsenbahnfahrt, leider weiss ich nicht wie viel das Vergnuegen kostet.
Viele fahren mit dem billigeren Bus die ueber 1000 Km lange Strecke
nach Lhasa. Eine Hollaenderin, die in Ostchina an einer Uni fuer 2 Jahre
Englischunterricht gibt, sagte uns, dass sie fuer ein 4 Tagetrip per Bus
nach Lhasa 1700.-- Yuan ( Fr. 255.--)bezahlt und Einheimische zahlen
160.-- Yuan. Wir stellen einmal mehr fest, dass China auch auf
touristischer Ebene gewaltig im Vormarsch ist und ein riesiges Angebot zu
vermarkten weiss.
Dienstag, 25.7.06
Aufgetankt und mit Lebensmitteln versehen verlassen wir Golmud
(2800m) auf dem Tibet-Qinghai Highway 1307 Km bis Lhasa, der anfangs
der 50er Jahre gebaut worden ist. Die Teerstrasse ist gut. Die neue
Eisenbahnlinie ist in Sichtweite und wir warten gespannt auf den ersten
Zug.
Nach 30 Km sehen wir die erste Station, bezw. den ersten Kreuzungspunkt
der Zuege. Die Wuestenlandschaft hat einerseits hohe Sandduenen und
andererseits oede flache Ebenen. Die Strasse fuehrt dem Gormo Fluss
entlang, der genauso braun ist wie die auftauchenden kahlen schroffen
Berge. Wir gewinnen an Hoehe und passieren den ersten 4767 m hohen Kunlun
Shanzou Pass, genannt nach der westlich und oestlich verlaufenden Kunlun
Gebirgskette mit ueber 5- und 6000er Schneeberge. Das ganze Gebiet ist von
den vielen Salzseen sumpfig, unwirtlich und lebensfeindlich. Wir finden
gleich am Bahndamm einen Uebernachtungsplatz. Ploetzlich schreit jemand,
der Zug, der Zug, alle rennen mit Kameras bewaffnet aus den Autos und es
wird geknipst und gestaunt. Die Zuege haben 3 Diesellokomotiven vor 16
Wagen gespannt. Der Zugfuehrer hupt und wir winken heftig zu.
Das Wetter ist sehr schoen und in dieser Hoehe solange die Sonne
scheint angenehm warm.
Mittwoch, 26.7.06
Wir haben alle wegen der Hoehe durchzogen geschlafen. Ein Druck im Kopf
oder Kopfschmerzen und einwenig Uebelkeit gehoeren dazu. Jetzt wird die
Strasse und die Landschaft katastrophal, unzaehlige und lange Bypass
Strecken, Loecher, Bodenwellen usw. Die neue Strasse ist im Bau und die
alte ausser Verkehr gesetzt. Der Highway ist eine viel befahrene Strecke,
vor allem mit vollbepackten Lastwagen. Das Salzgebiet zeigt eine
schwarzweiss verkrustete Landschaft. Fuer 100 Km brauchen wir 3 ? Stunden.
Es ist auch fuer den Beifahrer unbeschreiblich ermuedend. Fuer die
Mittagspause suchen wir wegen dem Strassenbau lange einen Platz, wir
kommen nicht von der Piste oder Strasse weg. Eine Bauausweichstelle ist
dann der geeignete Platz. Zum Glueck wird die Strasse nach der
Mittagspause um vieles besser und wir kommen zuegiger voran. Bei Tuotuohe
fahren wir ueber die erste lange Bruecke des Yangtse Flusses,
drittlaengster Strom der Welt.
Hier warten der Fahrer und der Guide Alim auf uns.
Die neue Eisenbahnlinie ist im Juli 06 offiziell eingeweiht worden.
In Kashgar konnten wir im TV die Eroeffungsfeierlichkeiten
mitverfolgen. Es sind 1118 Km Schienen verlegt worden, 960 Km der Strecke
liegen ueber 4000m hoch, 600 Km auf Permafrostboden. Ein 5000 Meter-Pass
erklimmt der Zug. Die hoechstgelegene Eisenbahn der Welt ist ein
gigantisches Projekt. Unzaehlige Bruecken fuehren ueber Fluesse und
ueberbruecken Talsohlen. Welche Folgen und Nutzen die Eisenbahnlinie Tibet
bringen wird, wird sich zeigen. Der Dang La Pass, 5220m, bildet die
?Grenze? und wir kommen in die Autonome Region Tibet.
Donnerstag, 27.7.06
Wir haben kurz vor Amdo frei campiert. Die Anpassung an die Hoehe wird
taeglich besser. Wegen der vielen Fluessigkeitszufuhr muessen wir nachts
oft aufs Clo. Auch werden wir wach wegen Sauerstoffmangel, sitzen auf und
schnappen nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Jetzt sitzen wir hauptsaechlich im Wagen und haben noch keine
koerperlichen Anstrengungen zu bewaeltigen, was in der Anpassungsphase von
Vorteil ist.
Wir sehen hier bereits die ersten vereinzelten Gazellen. Yakherden
ziehen ueber die gruenen Weiden und Huegelzuege. Das Gras ist in diesen
Hoehen sehr kurz und sieht oft aus wie ein Rasenteppich. In Omatang, kurz
vor Damshung ist ein Fest im Gange. Wir fahren auf das Festgelaende wo
viele Zelte stehen, darin kann man sich verkoestigen oder auch
alltaegliche Gegenstaende kaufen. Die Frauen tragen ihre schoensten
Trachten und laufen rausgeputzt herum. Leider sind die alten aus Silber
und mit Edelsteinen belegten Guertel am Verschwinden und heute werden sie
oft aus buntem Plastik hergestellt und getragen.
Auch die Maenner sind traditionell gekleidet und fuehren Pferderennen
vor.
Es herrscht ein buntes Treiben und erinnert uns an unseren Jahrmarkt.
In Damshung koennen wir uns noch mit Lebensmitteln eindecken. Hier
erfahren wir von noch unserem Guide Alim, dass wir fuer Tibet nur die
Genehmigung haben fuer in und um Lhasa, so wie fuer die Suedroute zum
Kailash und zum Everestbasecamp. Es fehlt die Genehmigung fuer die
Nordroute ueber Ali und Tholing/Zaparang. Wir machen ihm klar, dass wir
noch zusaetzliche Genehmigungen brauchen fuer Westtibet, Guge ect. Wir
telefonieren nach Zuerich und man versichert uns, dass sie auch alle Hebel
in Bewegung setzen, dass wir in Lhasa alle Bewilligungen bekommen werden.
Hier verabschieden wir uns von Alim, er hat seinen Job gut gemacht. Der
Fahrer und Alim fahren direkt nach Lhasa und wir ueber den 5150m hohen
Lhachen La Pass zum Nam Tso.
Auf der Passhoehe ist es wegen dem eisigen und heftigen Wind
entsprechend kalt. Die vielen Gebetsfahnen und Katags (Zeremonialschals)
flattern lautstark im Wind. Wir sehen bereits einen Teil vom blauen See.
Der Himmel ist bewoelkt und zeigt nur kurz die Bergkette. Am See finden
wir einen schoenen ?Campingplatz?.
Freitag, 28.7. ? Montag, 31.7.06
Einst wollte sich ein Daemon im Nam Tso vor Guru Rimpoche verstecken.
Der blaue See war jedoch so klar wie ein Spiegel und vom Seeboden konnte
man den Himmel sehen, deshalb wird der See auch Himmelssee genannt. Der
tuerkisblaue See ist der zweitgroesste und hoechstgelegene (4678m) Salzsee
Chinas. Er ist fast viermal so gross wie der Bodensee. Mit Glueck sehen
wir auch die Eisgipfel der 7000m hohen Nyenchen-Tanglha-Kette.
Wir besuchen die kleine Einsiedelei ?Tashidor?, umwandern die zwei
riesigen Felsbloecke und besichtigen die kleinen Kloester, machen den
Aufstieg auf den Berg oberhalb der heiligen Staetten. Der grosse Weise,
Guru Rimpoche, Padmasambhava soll hier mit Yeshe Tsogyel, seiner Frau
meditiert haben. Leider ist dieser heilige Ort voellig vertouristisiert.
Wir geniessen die Ruhe und die schoene Landschaft direkt am See abseits
des Rummels.
Der Fahrer kommt mit unserem tibetischen Guide Dorjee an. Wir
besprechen mit ihm unsere Reiseplaene. Leider sind seine
Englischkenntnisse nicht ueberwaeltigend.
Guenther und ich machen einen Tagesausflug zum Bong Tso. Die Piste ist
raff und endet ueber das freie Land. Wir sehen riesige Yak-, Ziegen und
Schafherden.. Das Wetter wechselt extrem schnell, sonnig und in kuerzester
Zeit gibt es Graupenregen und Schnee.
Abends ist der Treffpunkt in Damshung. Wir haben es sehr genossen
wieder mal alleine zu fahren, Freiheit pur. In der Gegend von Damshung
regnet es heftig. Wir beschliessen auf einem grossen Platz hinter einer
Tankstelle nahe dem Bahndamm zu naechtigen.
Dienstag, 1.8. 06
Laura schenkt uns zu unserem Nationalfeiertag Servietten mit der
Schweizerflagge drauf. So kommen doch heimatliche Gefuehle auf. Wir fahren
von Damshung zuerst Richtung Lhasa, dann dem Rong Chu entlang nach Phodo
Dzong und zweigen ab nach Reting Gompa. Etwa 17 Km vor dem Kloster Reting
macht unser Wagen schlapp. Wir bleiben bei einer kleinen Gompa stehen.
Guenther sucht den Grund warum der Motor nicht mehr anspringt, ich
nutze den Brunnen um zu waschen. Guenther breitet sein Werkzeug aus und
faengt an auszubauen. Bald sind viele neugierige Gesichter um das Auto die
alles bestaunen, vor allem die Werkzeugtaschen sind fuer die Maenner
interessante Wundertueten.. Die Membran der Benzinpumpe ist gerissen. Zum
Glueck ist ein Ersatz mit dabei. Abends um 22.00 Uhr ist Guenther mit der
Reparatur fertig.
Das Wetter ist regnerisch, ungemuetlich und kalt. Wir bleiben ueber
Nacht hier stehen. Ein junger Tibeter bringt aus dem nahe gelegenen Dorf
eine Kanne heissen Tee. Die Menschen sind wirklich sehr liebenswuerdig.
Mittwoch, 2.8.08
Die Hunde haben uns fast die ganze Nacht mit ihrem Konzert wach
gehalten. Ein Tibeter aus der kleinen Gompa bringt uns eine grosse Kanne
heisses Wasser. Wir sind dankbar dafuer. Guenther schenkt ihm ein
Schweizer Sackmesser. Der Pinz laeuft und schafft die Steigungen wieder
ohne Probleme.
Wir fahren die 17 Km zum Reting Kloster und kommen gerade zeitlich
richtig um die Wanderung mit den Kollegen hinauf zum Frauenkloster
mitzumachen. Dorjee weist uns den Weg durch einen schoenen Fichten- und
Wachholderwald, der in dieser wuestenhaften Landschaft etwas Besonderes
ist, ein heiliger Ort. Es ist eine friedliche Wanderung hinauf in das 4 Km
abgelegene Frauenkloster Samdrup Ling. Die Nonnen sind offen, freundlich
und freuen sich über unseren Besuch.Das Kloster Reting wurde in der
Kulturrevolution voellig zerstoert, wie viele andere Kloester auch. Ein
Teil wurde wieder aufgebaut.Heute leben angeblich etwa 100 Moenche hier.
Tsongkapa, der im 14.
Jh. den tibetischen Buddhismus reformierte und den Geluk-Orden
gruendete, trat 1397 ins Retingkloster ein und begann sein Hauptwerk
?Stufenweg zur Erleuchtung?. Die Kadampa Sekte integrierte sich in die
Gelugpa (die Tugenhaften) auch Gelbmuetzen genannt wegen ihrer
Kopfbedeckung. SH der Dalai Lama ist ihr wichtigster Repraesentant.
Donnerstag, 3.8.06
Dorjee erklaert uns in seinem beduerftig verstaendlichen Englisch, dass
wir am linken Ufer des Reting Tsangpo Flusses nach Phodo Dzong fahren
muessen wegen der Bruecke in diesem Dorf, die wir mit unseren Fahrzeugen
nicht passieren koennten. Wir fahren durch ein schoenes wildes Flusstal.
Die Naturstrasse ist wegen dem kuerzlich und zeitweise immer noch
fallendem Regen matschig und die vielen Loecher sind mit Wasser gefuellt.
Die Bruecke in obgenanntem Dorf ist fuer uns tatsaechlich nicht
passierbar. Der Fluss muendet hier in den Kyi Chu Fluss. Wir fahren
flussabwaerts bis Drigung Dzong und bald nach dem Dorf uebernachten wir
ueber dem Fluss Zharong Tsangpo.
Freitag, 4.8.06
Es ist eine kurze Fahrt das Tal hinauf nach Trigung Til. Das Kloster
wurde auf einem steilen Berg errichtet. Mit unseren Autos hochzufahren,
das war keine gute Idee. Mit wuergen und brechen konnten die Wagen auf dem
knappen Parkplatz gewendet werden. Die Maenner fuhren die Wagen gleich
wieder runter ins Tal. Die Aussicht vom Kloster hinunter ins Tal ist
gewaltig. Das Kloster besitzt viele Statuen, Buddha Sakyamuni,
Padmasambhava ect. Das Kloster ist beruehmt fuer seinen oberhalb gelegenen
Himmelsbestattungsplatz auf einem Kamm im Westen. Von weit her werden die
Toten hergebracht, da man glaubt, dass eine Wiedergeburt in der Hoelle
ausgeschlossen wird. Guenther und ich sind nicht hochgestiegen.
Wir fahren durch eine enge Schlucht nach Tredrom zu den heissen
Quellen. Padmasambhava, indischer Tantriker, auch Guru Rinpoche genannt,
soll hier im 8. Jh. mit seiner tibetischen Gemahlin Yeshe Tsogyel
meditiert haben. Zur Erinnerung an Yeshe Tsogyel wurde hier ein
Nonnenkloster errichtet. Leider konnte ich nicht in die heisse
Frauenquelle steigen weil ich in Trigung Til gestuerzt bin und jene
Schuerfwunden hatte.
Wir fuhren zu unserem Uebernachtungsplatz zurueck kurz vor Drigung
Dzong.
Samstag, 5. bis und mit Mittwoch, 9.8.06 Wir fahren in den Ort Meldro
Gungkar wo der Fahrer und Dorjee uebernachtet hat. Guenther muss seinen 3.
Reifen flicken bezw. den Schlauch auswechseln lassen. Das ist der 2. neue
Schlauch, der am Ventil eine undichte Stelle aufweist. Herstellungs- und
oder Qualitaetsmangel!? Ich gehe in dieser Zeit einkaufen.
Die ca. 50 Km bis zur Abzweigung nach Ganden am Kyi Chu entlang ist
eine gute Asphaltstrasse durch das schoene breite Kyi Chu Tal. Die 6 Km
Staubstrasse fuehrt in vielen Serpentinen hoch zum 4300 m hoch gelegenen
Kloster Ganden, das ?Freuderfuellte?. In der letzten Haarnadelkurve
unterhalb des Klosters ist ein schoener Aussichtsplatz und fuer uns ein
idealer ?Campingplatz?. Die Sicht hinunter ins Kyi Chu Tal und hoch zum
Kloster ist einmalig. Die weissen Kumuluswolken zeichnen sich am blauen
Himmel markant ab, Die Sicht ist in dieser Hoehe oft gestochen scharf und
man hat das Gefuehl die Wolken anfassen zu koennen.
Tsongkapa verwirklichte hier seine Reformidee, Ganden wurde das
religioese Zentrum der Gelugpa. Das Kloster liegt hoch an einem steilen
Berghang und sieht aus wie ein Amphitheater. Wir besichtigen die
Klosteranlage, machen die Kora (rituelle Umwanderung heiliger Staetten im
Uhrzeigersinn) und steigen steil hoch auf den Berg und wandern auf dem
Bergkamm mit Sicht rechts und links hinunter ins Tal und auf das Kloster.
Eigentlich wollten wir nur 2-3 Tage bleiben, aber dann hoerten wir von
einem Klosterfest am Vollmond, 9. 8. Wir gaben unserem Guide den Auftrag
sich zu erkundigen wegen dem Fest. Er braucht oft und immer wieder das
Wort ?maybe?, also vielleicht morgen oder uebermorgen. Wir beschliessen zu
bleiben um das Fest miterleben zu koennen.
In diesen Tagen hat Laura Geburtstag und wir duerfen mit ihr feiern an
diesem speziellen Ort. Heiri und Laura laden zu einem feinen Apèro ein und
wir stossen an mit einem Cabernet und Merlot und das auf dieser einmaligen
Aussichtsterrasse.
Am 9. in aller Herrgottsfrühe fahren die ersten Busse, PW`s, Traktoren,
beladene Esel und Motorfahrraeder zum Kloster hoch. Die vielen Pilger
werden zu hunderten zum Kloster hochgefahren. Von Ausschlafen keine Spur.
Bald sind auf ?unserem? Platz jene Busse und sonstige Fahrzeuge parkiert
und die Pilger sind auf unsere Wagen aufmerksam geworden und moechten doch
schnell einen Blick hineinwerfen. Das ist dann auch noch eine Gelegenheit
ein paar Yuan Spendengeld zu ergattern. Viele der Pilger stroemen den
Berghang hoch und spannen unzaehlige Gebetsfahnen oben auf dem Bergkamm
und entzuenden die gesammelten Kraeuter und Wachholderzweige wie bei uns
der Weihrauch.
Ueberall steigen Rauchschwaden gen den blauen Himmel hoch. Wir laufen
Richtung Kloster und setzten uns unter die vielen Pilger an einen Berghang
mit guter Sicht auf die Hauptversammlungshalle. Moenche kuenden mit ihren
langen Trompeten vom Klosterdach die Entrollung der riesigen Tangka (
religioeses eingerahmtes Rollbild) an. Um 11 Uhr ist es soweit, viele
Moenche tragen das lange, schwere und eingewickelte Rollbild zur
Klostermauer. Die Moenche auf dem Klosterdach ziehen nun ueber eine
spezielle Vorrichtung das Thanka hoch, das sich waehrend dem Hochziehen
entrollt aber das Bild noch nicht frei gibt weil es von einem Vorhang
verdeckt bleibt. Der riesige zweiteilige gelbe Vorhang wird dann langsam
von oben mit Seilen hochgezogen und gelueftet. Der hochverehrte Tsongkapa
erscheint an der riesigen Klostermauer. Nur einmal im Jahr wird zu ehren
Tsongkapas sein Thanka entrollt und wir duerfen es miterleben. Bald schon
nach der Entrollung kommt Bewegung in die Pilgerschar und die ersten
steigen die Haenge hinunter und begeben sich schon bald zu ihren
Transportmittel.
Wir spazieren durch die Menge zur Klostermauer um das Rollbild auch
noch von naeher betrachten zu koennen. Der Weg ist gesaeumt von vielen
Bettelmoenchen, Muetter mit ihren Kindern, alte beduerftige Menschen,
Musikanten und vielen mehr, die um paar Yuan Hand anhalten.
Viele Essstaende und Souvenirverkaeufer bieten ihre Waren an. Die Katag
(tib. Zeremonialschal) Verkaeufer haben Hochkonjunktur. An einem Katagende
werden z.B. Fruechte eingeknotet und dann werfen die Pilger die Schals zur
Tanka hoch. Auf dem grossen Platz werden in einem riesigen Ofen Unmengen
Wachholderzweige und Kraeuter (Weihrauch) verbrannt, so dass je nach Wind
das Rollbild in Rauch gehuellt ist.
Langsam laufen auch wir wieder Richtung Auto und sehen auf halber
Strecke (ca. 1 Km), dass der Vorhang faellt und das Tanka wieder fuer ein
Jahr eingrollt und im Kloster gehuetet wird.
An diesem Fest lernen wir Maya und Markus aus der Schweiz kennen, sie
sind seit einem Jahr mit ihren Fahrraedern auf Hochzeitsreise unterwegs.
Das junge aufgestellte Paar werden wir in Lhasa noch oefters treffen.
Jetzt herrschen ein Verkehrschaos am Berg und die Serpentinenstrasse
hinunter ins Tal. Der ganze Hang und wir sind in Staub gehuellt. Nach dem
ersten Schub fahren auch wir ins Tal hinunter und dann dem Kyi Chu entlang
die restlichen 40 Km nach Lhasa. Wir fahren von Osten her in die Stadt und
bald erblicken wir den Potala, der Palast des Dalai Lama, das Wahrzeichen
von Lhasa.
Jetzt sind wir in Lhasa, wir koennen es fast nicht fassen und glauben.
Nach laengerem Suchen finden wir doch noch einen Hotelhof zum
Campieren. Das ?Yun Long Hotel? ist an der Beijing Middle Road ideal
gelegen, von hier koennen wir viel zu Fuss machen und sind schnell am
Jokhang und Parkhor, wo das alte Tibet doch noch lebt.
Donnerstag, 10.8. ? Mittwoch, 16 8 06 (Lhasa) Jetzt sind wir wieder mit
der grossen weiten Welt verbunden. Handy funktioniert und Internetcafès
hat es auch. Wir pilgern zuerst ins Internet und rufen die Mails ab.
Vielen Dank all denen die uns geschrieben haben!!!
Die grosse Waesche bringe ich fuer einmal in die Waescherei, es hat
sich doch einiges angesammelt. Guenther macht den Service am Pinzgauer.
Auch wir haben eine Generalreinigung noetig!!! Zum Glueck haben wir hier
im Hinterhof zwei Wasserhaehne zur Verfuegung und im Hotel eine Toilette.
Tagsueber haben wir ein ruhiges Plaetzchen und es kommen wenige
neugierige Chinesen, die uns und die Autos begutachten wollen.
Nachts aber ist es leider aus mit der ersehnten Ruhe. So um 22.00 Uhr
geht es im Nebengebaeude in der obersten Etage im Nachtklub (Karaoke) los
und endet nicht vor 03.00 Uhr in der Frueh. Die Lautsprecheranlage ist
aufs Maximum gestellt, Ohrenbetaeubend!!
Lhasa, ?Ort der Goetter?, 3680 m ueber Meer Wir haben nicht erwartet,
dass wir die Hauptstadt immer noch gleich vorfinden wie im 1998.
Erstaunt sind wir schon ueber die vielen breiten asphaltierten Strassen
mit moderner Verkehrsregelung, elektrischer Beleuchtung, viele moderne
Zweckbauten aus Beton und Glas, westlich aussehende Supermaerkte,
Superhotels und ?last but not least? die vielen Chinesen.
Die Stadt ist zu einer modernen chinesischen Metropole mutiert mit
schaetzungsweise 200'000 Einwohner, davon sind nur etwa 50'000 Tibeter.
Vor dem Potala ist ein riesiger Platz mit anschliessendem Park.
Abends wird auf dem Platz vor einem grossen Monument ein Wasserspiel
mit klassischer- und chinesischer Musik gezeigt. Das Spiel mit dem Wasser
erinnert an die chinesischen Feuerwerke, die ja auch mit Musik super
koordiniert sind. Abgesehen vom Standort ist es eine elegante gut gemachte
Wassershow. Waehrend dem Wasserspiel wendete ich mich oft um 180 Grad dem
Potala zu. Das ueberwaeltigende und maechtige Bauwerk im Schein der
naechtlichen Beleuchtung sah fuer mich in diesem Moment surrealistisch
aus, ja fast wie ein riesiges Gemaelde. Ich kann es kaum in Worte fassen.
Der Potala ist Symbol fuer weltliche und geistliche Macht.
1645 begann der 5. Dalai Lama den Bau des heutigen Potala als
Manifestation der neuen Macht der Gelben Kirche. Der Palast der Dalai
Lamas ist 400 Meter lang und bis zu 117 Meter hoch und besitzt ueber 1000
Raeume. Seit der Restaurierung im 1994 ist der Potala ein riesiges Museeum.
Guenther und ich haben uns gegen einen Besuch entschieden. Wir waren im
1998 tief beeindruckt vom Innenleben des Potalas. Heute werden enorme
Massen Touristen durch die Rauemlichkeiten in 1 ? Std. geschleust und auf
die Daecher darf man nicht mehr gehen. In diesen Tagen werden wir bestimmt
noch oefters vor dem Potala stehen und ihn umwandern.
Der hoechstverehrte Tempel im tibetischen Kulturkreis ist der Jokhang.
In diesem heiligsten Tempel kann man sich Stunden verweilen und die vielen
glaeubigen Tibeter bei ihren Ritualen und Umgehungen beobachten. Hier
spuert man den innigen Glauben und die tief verwurzelte unerschuetterliche
Religiositaet. Die Tibeter umrunden diese heiligen Staetten mit drehenden
Gebetsmuehlen und das Mantra (mystische Silben): OM MANI PADME HUM ist
omnipraesent.
Der Parkhor, der innere Ring um den Jokhang ist noch immer das Zentrum
der Stadt. Da beherrschen noch die Tibeter das Stadtbild und das alte
Lhasa finden wir hier. Da sind auch die vielen Restaurants und die
unzaehlige Souvenierstaende. Wir fuehlen uns im ?Tashi 1?
Restaurant sehr wohl, geniessen die feinen Momos, Teigtaschen gefuellt
mitGemuese oder Fleisch, die freundliche Bedienung und das angemessene
Preis/Leistungsverhaeltnis.
Der Sommerpalast des Dalai Lama, der Norbulingka ?Edelsteingarten? ist
auch ein Museum und zeigt u.a. die Rauemlichkeiten SH des 14.Dalai Lama,
von hier ist er im 1959 nach Indien geflohen. Ein grosser Park laedt zum
Spazieren ein.
Weiter besuchten wir die Kloester Drepung und Sera etwas ausserhalb von
Lhasa, die mit Ganden die 3 Saeulen der Gelben Kirche bilden.
Heute in Sera durften wir im Klosterhof einer mehrstuendigen Zeremonie
beiwohnen. Ein alter, bestimmt hoher Lama sass auf einem Thron vor einem
grossen Feuer. Etwa 20 Moenche sassen auf Kissen am Boden mit ihren
Ritualgegenstaenden, der Glocke und dem Donnerkeil in den Haenden und
rezitierten ununterbrochen Mantras waehrend der Lama immer wieder das
Feuer mit fluessiger Jackbutter naehrte und vom grossen Opfertisch die
Gaben von einem Moench zugereicht bekam und sie ins Feuer warf. Es wurden
mehrere Durchgaenge der Opfergaben- Verbrennung gemacht, die unterbrochen
wurden von Moenchen mit Trompeten, Muschelhorn und einem Lama unter einem
Baldachin, die den Thron des Lamas umrundeten.
Leider kann uns Dorjee wenig verstaendliche Informationen ueber die
Zeremonie geben. Ich glaube er weiss viel ueber seine Religion, aber er
kann die Interpretationen nicht ins Englische uebersetzten.
Es wuerde zu weit fuehren mehr ueber den Tibetischen Buddhismus zu
schreiben. Eingeweihte wissen es schon und die Interessierten koennen in
unzaehligen Buechern ihren Wissensdurst stillen. Es ist so oder so ein
lebenslanges geistiges Studium.
Seit paar Tagen wissen wir, dass wir die Genehmigung fuer die Nordroute
nach Ali und Zaparang/Guge zum Kailash nicht ausgestellt bekommen. Der
zustaendige Mann in Beijing hat uns diese Hiobsbotschaft per Telefon
mitgeteilt. Die folgenden Begruendungen muessen wir akzeptieren:
1. Reisen im eigenen Fahrzeug (mit einem chin. Fahrzeug und Fahrer kein
Problem!!)
2. Ein Visum fuer 4 Monate, wie wir es haben, ist die grosse Ausnahme.
3. Ali sei militaerisches Sperrgebiet und es werden zurzeit Manoever
durchgefuehrt.
Wir haben die Genehmigung auf der Suedroute zum Kailash und
Manasarovarsee zu fahren, so wie fuer das Everest Basecamp, fuer die Kora
um den Kailash.
Im Moment waren wir sehr enttaeuscht, dass wir die einmalige Landschaft
durch das Changthang und das Koenigreich Guge nicht noch mal sehen und
erleben koennen. Es waere ein super Erlebnis gewesen diese Route im
eigenen Fahrzeug zu erkunden. Fuer Guenther und mich ist es ein grosser
Trost, wir haben im 1998 eine einmalige Reise durch diese Gebiete Tibets
erleben duerfen.
Seit gestern wissen wir, dass wir dank Einsatz von verschiedenen
Personen hier in Lhasa eine Genehmigung fuer das Koenigreich Guge
erhalten. Wir muessen aber unsere Wagen in Darchen stehen lassen und mit
unserem Fahrer und Guide, plus zusaetzlich ein Fahrzeug in Darchen
anheuern, nach Zaparang/Guge fahren. Das ist doch ein ?Trostpflaesterli?!!!
Dazu kommt, dass wir fuer diese Genehmigung, die zuerst hier verlangten
260.-- U$ pro Person nicht auf den Tisch legen muessen. (Ein happiger
Betrag!!!) Wir werden bestimmt noch 3 ? 4 Tage in Lhasa sein und dann nach
Sueden bis Dagar und ostwaerts bis Tsethang fahren und in diesem Gebiet
noch einige Kloester besuchen.
Danach geht?s ueber den Yamdrok See nach Gyantse und Shigatse und
westwaerts auf der Suedroute zum heiligen Berg Kailash.
Hier in Lhasa haben wir sehr angenehmes sonniges Wetter, ab und zu ein
kurzes Gewitter mit paar Regentropfen, nachts kuehlt es auf ideale
Schlaftemperatur ab. (Wenn es nur keine Karaoke-Schuppen gaebe!!)
Wir wuenschen allen einen schoenen Altweibersommer und einen bunten
sonnigen Herbst.
Herzliche Gruesse aus Lhasa senden
Margrit und Guenther Utpadel