Libyen-Reise
vom 1. bis 29. Oktober 2005
|
Thomas wollte bereits 2003 in die Sahara und wurde durch die bekannten
Ereignisse gebremst. 2005 konnte er dann mit seiner Frau Sabine
endlich in die Sahara!
wb/5.2.2006 |
1.
Etappe: Darj - Hamadat al Hamrah - Idhan Ubari - Ubari
Die Motoren heulten, unser
Herzschlag beschleunigte sich und die relativ feuchte Luft dampfte. Vreni
gab Gas, Louis schloss auf und auch wir liessen langsam die Kupplung
kommen. Unser Buschtaxi gewann an Fahrt und wir hielten mit zugekniffenen
Lippen Kurs auf den rasch näher kommenden gelben Streifen. Fünfzig Meter
waren es n och,
bis wir die flache steinige Hamadat al Hamrah verliessen und die erste
ganz kleine Düne erklimmen mussten. Nach Jahren der Planung und des
Wartens waren wir schon bald am Ziel. Schon konnten wir die Spuren von
Chrigis Pick up im Sand erkennen. Der Pulsschlag erhöhte sich weiter. Wir
sahen noch wie vor uns Vrenis Patrol durchgeschüttelt wurde und schon
waren wir an der Reihe. Ein Knall, ein Gruss vom Küchenbesteck im hinteren
Teil des Wagens und schon pflügten sich unsere viel zu satt gepumpten
Reifen durch den
griffigen Sand. "Endlich"
meinte unser Herz, "wenn das nur gut geht" unser Verstand.
Doch schon am Abend beim zur Tradition werdenden kühlen Bier und einem
feinen Chili con Carne von Michi und Cuenti erlebten wir zum ersten Mal
die Faszination der Wüste und genossen das Farbenspiel der Abendsonne in
den Dünen. Die Sandalen wurden im Auto verstaut und wir genossen den
feinen Sand an unseren Füssen. Nach hektischen Tagen
auf
dem harten
Teer von Tunesien und Libyen begann uns langsam die Ruhe der Wüste in
den Bann zu ziehen. Die chaotische Einschiffung am Hafen von Genua und die
endlos scheinende Nachtfahrt durch Tunesien waren nur noch ferne
Erinnerungen. Die über vierstündige Warterei bei der Einreise nach Libyen
in Ras Ajdir war ebenso vergessen wie die kurzen aber
lohnenswerten touristischen Abstecher in den fantastisch erhaltenden Ksar
von Nalut und
die auf uns etwas düster wirkende Altstadt von Ghadamis. Wir schauten
unsere Autos an, die immer noch mit Dreck vom grossen Regen in der Hamadat
al Hamrah zugekleistert waren. Unser Blick ging in die Runde und wir
ahnten, dass uns die noch
fremden Gesichter unserer Reisegruppe in den nächsten gut
drei Wochen immer vertrauter werden würden. Chrigi, Regi und Isabelle in
ihrem gelben
Toyota Pickup mit viel Platz für das noch zu sammelnde Feuerholz. Vreni
und Pia in ihrem Nissan Patrol mit dem praktischen Dachzelt. Louis im
Toyota "Lion du Desert" Landcruiser, Rudi und Christel in ihrem weissen
Buschtaxi mit dem einzigartigen tiefen Motorensound, Cuenti, Michi und
Ibrahim, unser lustiger Tuaregführer, in ihrem coolen Defender und wir
Wüstengreenhörner mit unserem roten Buschtaxi.
Am nächsten Tag liessen wir zuerst mal den Luftdruck auf sandübliches
Niveau herunter und praktizierten unsere
Fahrkünste in den noch
festen Dünen der Idhan Ubari. Schon bald erlebten wir eine erste
Schrecksekunde, als wir
nach
Überwindung einer kleinen Düne in der Senke in eine leichte Schräglage
gerieten und uns festfuhren. Zum
Glück "befreiten" uns die herbei gefunkten Louis, Regi und Rudi. Es sollte
nicht das letzte Mal sein. Selbstverständlich gruben wir uns auch im mer
mal wieder vor den Dünenkämmen ein, da wir zu früh Gas wegnahmen. Beim
dritten Mal sollte uns dies nicht mehr passieren und wir fuhren mit Tempo
über den Kamm. Ein veritabler Abflug mit einer klassischen Durchfederung
war die Folge. Glücklicherweise ist nichts weiter passiert, trotzdem
verloren wir für einige Zeit etwas den Mut mit Vollgas auf die Dünen
loszufahren. Schon bald hatten wir aber den Dreh raus und die
Wüstenroutine im Blut
respektive im Fuss. Schaufel und Sandbleche wurden unsere
treuen Begleiter und wir realisierten, dass auch die erfahrenen
Wüstenfüchse Einsanden können. Nach den ersten Dünen durchfuhren wir die
pfannenflache Hamadat Zegher. Hier mussten die beiden Buschtaxis den
schnelleren Toyos, Patrols und Defenders den Vortritt l assen.
Als wir dann in der Ferne die Leuchtfeuer der Ölbohrtürme sahen, wussten
wir, dass die Zivilisation nicht mehr weit sein konnte. Und wirklich;
schon bald fuhr unser Konvoi in Ubari ein und die
Wüstenroutine wurde durch
die Stadtroutine abgelöst. Dieseltanken, Wasserauffüllen,
Broteinkaufen und Haarwaschen am Strassenrand standen auf dem Programm.
Diesel konnten wir zwar erst einige Kilometer später bekommen. Chrigi
drückte aufs Tempo - er wollte so schnell wie möglich wieder in den Sand
und in Rekordgeschwindigkeit hatten wir alle nötigen Dinge erledigt. Ein
kurzer Stopp in den Ruinen von Germa rundete unseren Zivilisationstag ab,
den wir gerne mit einem Besuch in einem Restaurant angereichert hätten. Da
wir uns aber im Fastenmonat Ramadan befanden, war dies ein aussichtsloses
Unterfangen. Statt Kamelfleisch hiess es also "gemä wiietä".
Bild vergrössern: Doppelklick auf Bild
2.
Etappe: Idhan Murzuk – Akakus – Al Awaynat
Ein kurzer Halt bei den in
dieser Jahreszeit wenig grünen Bewässerungsanlagen des Bariuji-Projektes
und schon mussten wir wieder Luft ablassen. Vor uns türmte sich die
gewaltige Dünenlandschaft des Idhan Murzuk auf. In den nächsten paar Tagen
erklommen wir gewaltige Dünen und durchfuhren mal breite, mal schmale
Täler. Immer wieder
überraschte
uns die Kraft unseres Buschtaxis. Wir realisierten, dass Toyota diese
Autos nicht für die Strassen Europas, sondern für die Pisten Afrikas und
die Dünen der Sahara konzipiert haben musste. Wir kamen immer besser in
den Rhythmus. Am Nachmittag freute man sich auf das Nachtlager, das kühle
Bier und die Analyse der Heldentaten der vergangenen Etappe. Höhepunkt
aber war der phantastische
Sternenhimmel mit der Milchstrasse in ihrem Zentrum. Cuenti und Sabine
steckten alle an mir ihrer Suche nach Satelliten. Und keiner kann erahnen,
wie viele stille Wünsche jeder angesichts der vielen Sternschnuppen
geäussert hatte, die wir im Verlauf unserer Reise gesehen hatten. Da die
Tage recht anstrengend waren, verkrochen wir uns schon bald in die
Schlafsäcke. In der Nacht freute man sich dann aber bereits wieder auf den
Morgen, den heissen Kaffee und natürlich die nächsten Dünen. Wir hatten
sogar das "Glück", einen kleinen nächtlichen Sandssturm zu erleben, den
Louis und wir
benutzen,
um
über Funk einander alte Schnulzen abzuspielen. Zum Leidwesen von Cuenti
verliessen wir aber viel zu früh den Murzuk und via Passe de Tilemsine
gelangten wir in den Akakus. Hier gab es keine hohen Dünen mehr, dafür
führte uns ein begeisterter Ibrahim durch die riesigen Felsformationen, zu
den versteckten Quellen und zu
unzähligen Wandmalereien. Beim fünften Elefanten wurde unser Enthusiasmus
zwar etwas
auf die Probe gestellt und wir freuten uns vor allem auf unser Nachtlager.
Bei 43 Grad im Schatten sollte es dann unsere heisseste Nacht werden. Das
Raclette von Chrigi und Louis war zwar fein, brachte aber auch keine
Abkühlung. Und immer weiter ging es. Bald verliessen wir wieder den Akakus
und die zweite Etappe nahm ihr Ende in Al Awaynat. Wir freuten uns alle
auf eine Nacht (und vor allem eine lange Dusche) auf dem Zeltplatz vom
leider kürzlich verstorbenen Omar Makhi. Und wirklich: das Camp war toll,
die Dusche einfach aber paradiesisch nach einer so langen Zeit. Und doch:
schon bald vermissten wir die Weite und die Einsamkeit der Dünen. Wir
wollten wieder hinaus!
   
Bild vergrössern: Doppelklick auf Bild
Zwischenetappe in den Magidet
Für zwei Tage durchfuhren
wir nun das Magidet, ein ganz spezielles Gebiet im Südwesten von Libyen
zwischen
Ghat
und Al Alwaynat. Eine lange, steinige Anfahrt liess uns immer wieder
fragen, ob sich dieser Abstecher wirklich lohnen würde. Doch nach
staubigen Kilometern und einigen weiteren gut erhaltenen Wandmalereien
hatten wir plötzlich Sand unter den
Rädern. Rechts und links der engen Sandpiste säumten haushohe Felsen
unseren teils schmalen, teils breiten Weg. Einmal mehr fand Chrigi ein
geniales "Nachtplätzli". Bei Vollmond konnten wir eine der schönsten
Abende in Libyen verbringen. Im hellen Mondlicht erschienen uns die
Konturen der Felsen schon bald weniger schroff und mit etwas Fantasie
meinten wir sogar, Gesichter und Figuren erkennen zu können. Wir genossen
den warmen Wüstenabend
und
krochen mit vielen schönen Eindrücken in den Schlafsack. Am nächsten
Morgen
konnten
wir so schön wie noch nie unseren Morgenkaffee mit Blick auf den noch
klaren Mond und die aufgehende Sonne am Firmament trinken. Das Magidet
hatte uns in den Bann gezogen und die folgende, mühsame Teeretappe nach
Ubari wurde durch die noch frischen Erinnerungen daran etwas verkürzt.
Bild vergrössern: Doppelklick auf Bild
3.
Etappe: Seentour – Idhan Ubari – Idri – Hamadat al Hamrah - Darj
Da es
einmal mehr in Ubari weder "Bensin" noch "Nafta" für unsere durstigen
Motoren gab, mussten wir den etwas schwierigeren Einstieg in die Seentour
bei Tekerkiba wählen. Prompt geriet unser Buschtaxi bereits beim ersten
Aufstieg
auf die hohe Düne in bedrohliche Schräglage. Die relativ gelassene
Reaktion von Regi zeigte uns aber, dass es schon nicht soooo schlimm war.
Es sollte nicht die letzte Stresssituation an diesem ersten Tag bleiben
und Regis Puls würde noch kräftig ansteigen. Der Blick auf Mandara und die
anderen Seen wie Um el Maa, Gabroon, Um el Hassan oder Um el Ress sollte
uns aber für die "Mühsal" mehr als entschädigen. Da der Sand in diesem
Teil der Wüste eher weich war, mussten wir uns aber die Aufstiege auf
die Dünen wahrlich erkämpfen und erdulden. Die Motoren heulten auf. Ein,
zwei oder gar drei Anläufe waren nun für die Meisten die Regel.
Reduziergetriebe, Diffsperren und natürlich Sandbleche kamen immer wieder
zum Einsatz. Gerüchteweise hatte sogar Louis mit seinem bärenstarken
Landcruiser 500 das Reduziergetriebe in diesen Passagen endlich einsetzen
müssen. Die Schaufeln wurden gar nicht mehr gut verstaut und manche
BeifahrerInnen mussten mehr laufen denn fahren. Bei einem weiteren langen,
schrägen Aufstieg erlebte Cuenti seine Schrecksekunde, die er äusserlich
sehr cool wegsteckte. Sein Defender geriet
immer
mehr in Schräglage und drohte jeden Augenblick zu kippen. Glücklicherweise
grub er sich beim letzten Hüpfer leicht ein und kam noch auf allen vier
Rädern zum Stillstand.
Michi, sein talabwärtssitzender Beifahrer,
sprang in Windeseile aus
dem Auto. Wir eilten plötzlich wieder mit europäischer Hektik (Regi!) und
fern der angelernten arabischen Gelassenheit zu Hilfe. Mit
Bergegurten wurde der Landy
gesichert und wieder in die Falllinie gebracht. Klar, dass wir anderen
diese Passage nicht mehr fahren wollten und einen kleinen Umweg gerne in
Kauf
nahmen. In den nächsten Tagen konnten wir aber alle die Dünen so richtig
geniessen. Dies nicht zuletzt auch dank Chrigi, der weitere schräge Hänge
mied, wie der Teufel das Weihwasser. Die Aufstiege waren etwas weniger
steil und die
Übergänge etwas weniger spitz als im Murzuk. Das Fahren
wurde beinahe zum Cruisen und wir mussten aufpassen, dass wir nicht zu
übermütig wurden und plötzlich noch Cuenti Konkurrenz
machen
und ebenfalls eigene Spuren legen würden. Wie nah Glück und Pech, wie
unberechenbar Dünen sein können, hat
Chrigi dann an unserem
allerletzten
Dünentag - kurz vor Erreichen der Pipelinepiste – erleben müssen. Beim
Zurückfahren schätze er die Beschaffenheit einer relativ niedrigen Düne
falsch ein und fuhr zu schnell drauf los. Die Folge für ihn war ein
kaputter Vorderradantrieb. Und für uns? Nun wir durften einen halben Tag
lang schieben, schaufeln und sandblechen bis auf der Pipelinepiste endlich
wieder Fahrt aufgenommen werden
konnte. Glück im Unglück
dachten wir alle, denn der gleiche Defekt hätte auch zu einem weit
ungünstigeren Zeitpunkt geschehen können. Unerbittlich neigte sich unsere
Reise nun dem Ende zu. Unser l etztes
Lagerfeuer in der Hamadat al Hamrah geriet zu einem ausgelassenen kleinen
Fest. Ibrahim sorgte mit seinen Klängen für richtige
Tuaregstimmung,
Regis Liederauswahl erinnerte uns an LaLiBu-Zeiten und Pia führte uns vor,
dass nicht bloss
arabische Frauen, die Musik im Blut haben mussten. Im
warmen
Schlafsack und in der Stille der Nacht überkam uns aber bald etwas Wehmut,
als wir realisierten, dass dies der letzte wirkliche Wüstenabend gewesen
war. Bei Darj wurden die Reifen ein letztes Mal auf Strassendruck
aufgepumpt. Sabine und ich schauten uns an und ohne viele Worte wussten
wir, dass wir das Gleiche empfanden. Stolz, alles gut überstanden zu
haben. Freude, schon bald wieder bei unseren Liebsten zu sein und vor
allem darüber berichten zu könne. Doch mit jedem Kilometer, mit dem wir
uns von der Wüste entfernten, gesellten sich Trauer und Abschiedsschmerz
hinzu. Erleichtert wurde die Heimreise nur durch den Gedanken, dass dies
sicher nicht unsere letzte Wüstenreise gewesen sein musste.
Thomas

Bild vergrössern:
Doppelklick auf Bild
Die Reise
wurde vom
www.sahara-team.ch organisiert.
seit 5.2.06
|
|
|